Die Masken der italienischen „Commedia dell’Arte“
Die italienische „Commedia dell’Arte“ (Italienisch für Berufsschauspielkunst) ist ein wahres Theaterphänomen. Denn die italienische Volkskomödie hat in der Vergangenheit nicht nur in der Theaterwelt Italiens, sondern auch in allen europäischen Theatern für beste Unterhaltung gesorgt. Mitverantwortlich für ihren großen Erfolgen waren sicherlich die hier vertretenen, faszinierenden Masken. Mehr über die italienische „Commedia dell’Arte“ und ihre verschiedenen Maskentypen kannst du hier hören:
#73 Commedia dell’Arte – ein faszinierender Blick hinter italienische Masken
Was versteht man unter der „Commedia dell’Arte“?
Mit „Commedia dell’Arte“ wird das traditionelle italienische Volkstheater des 16.-18. Jahrhunderts bezeichnet. Dabei setzt sich der Begriff „Commedia dell’Arte“ aus den beiden Wörtern „commedia“ (Deutsch: Theater) und „arte“ (Deutsch: Kunst, Handwerk) zusammen. Weitere Bezeichnungen für die „Commedia dell’Arte“ waren „Commedia improvvisa“ (Deutsch: Improvisationstheater) oder „Commedia delle maschere“ (Deutsch: Maskentheater). Vor allem der letzte Begriff ist ein eindeutiger Hinweis auf die festen Maskentypen der „Commedia dell’Arte„. So war der Tanz, der Gesang, die Gestik und die Mimik für jede Maske streng geregelt. Ziel der italienischen Volkskomödien war es die Schwachen der Gesellschaft zu verteidigen sowie die Machthabenden zu kritisieren bzw. entsprechend zu verspotten.
Geschichte der Commedia dell’Arte
Die „Commedia dell’Arte“ entsteht zur Zeit der Renaissance etwa zur Mitte des 16. Jahrhunderts in Norditalien. Ihre Wurzeln findet die „Commedia dell’Arte“ dabei in den Karnevalsaufführungen von Venedig sowie in der altrömischen Posse Atellane. Im 17. Jahrhundert erlebt die „Commedia dell’Arte“ schließlich ihren Höhepunkt, bevor sie im 18. Jahrhundert ihr Ende findet. Die Städte Venedig (die nördliche „Commedia dell’Arte„) und Neapel (die südliche „Commedia dell’Arte„) gehörten einst zu den Hochburgen in Italien.
Die italienischen Volkskomödien wurden zwischen dem 16. und 18. Jahrhundert von professionellen wandernden italienischen Schauspielertruppen (oftmals Familienverbänden; ein Schauspieler konnte auch sein Leben lang ein und dieselbe Figur spielen) auf Jahrmärkten, Dorfplätzen, Königs- und Fürsthöfen vorgetragen. Dadurch wurde die italienische Volkskomödie mit der Zeit nicht nur in ganz Italien populär, sondern auch über ganz Europa verbreitet. Damit hatte die „Commedia dell’Arte“ Einfluss auf die Ausprägung der komischen Figuren in ganz Europa und prägte sogar das englische, französische und deutsche Lustspiel des 17. und 18. Jahrhunderts. Vor allem Ludwig XIV. ist ein bekennender Fan der Maskentheaterform, die er dann im neuen Zentrum Paris einführte. Auch Molière oder Shakespeare nahmen sich die „Commedia dell’Arte“ in einigen Stücken zum Vorbild.
Die Maskentypen
Die „Commedia dell’Arte“ unterscheidet die folgenden zwei Haupttypen: die Zanni (Figuren der Unterschicht) und die Vecchi (Figuren der reichen Oberschicht). Die humoristischen Zanni stammen dabei meist aus bäuerlichen Verhältnissen und waren Diener, Mägde oder Köchinnen. Sie vertreten das einfache Volk der damaligen Zeit und äußern Wünsche bzw. Kritik an der damaligen Gesellschaft. Im Gegensatz dazu versuchen die Vecchi sich vom einfachen Volk abzuheben. Typischerweise sind diese Figuren vermögend, gebildet und haben ein starkes Interesse für Kultur und Wissen. Bei den Zuschauern kommen sie meist nicht nicht gut an, da sie unsympathisch und ziemlich arrogant wirken.
Die wichtigsten Masken der Zanni stellen Arlecchino, Brighella, Pagliaccio, Colombina und Coviello dar, bei den Vecchi sind dagegen Pantalone und Il Dottore zu erwähnen. Neben diesen berühmten Charakteren der „Commedia dell’Arte“ finden sich jedoch auch weitere Figuren und Masken. Hier sind vor allem Pulcinella, Scaramuccia oder Il Capitano zu nennen.
1) Arlecchino
Die wohl berühmteste Figur der „Commedia dell’Arte“ ist Arlecchino. Diese Figur kann sich auf der Bühne einfach alles erlauben und sorgt immer für einen Lacher beim Publikum! Dabei war Arlecchino die Stimme des gemeinen Volkes, aus der sich mit der Zeit der typische Narr entwickelte, den man heute vor allem als Kasperle aus dem Puppentheater kennt.
Eigenschaften: Typisch für Arlecchino sind seine naive Fröhlichkeit und seine Verfressenheit – denn Arlecchino hat immer Hunger! Um sein Hungergefühl zu stillen, ist Arlecchino oftmals in komische Situationen verwickelt. Gerne wird Arlecchino auch als etwas „dümmlich“ und gierig dargestellt.
Kostüm: Arlecchino ist bereits von weitem zu erkennen! Denn sein buntes, Clown-ähnliches Kostüm mit den mehrfarbigen Flicken (meist rot, gelb, weiß, grün und blau) sowie der spitze Hut und die Maske sind nicht zu übersehen. So trägt Arlecchino eine schwarze Maske, die dem Gesicht einer Katze ähnelt. Oft ist diese Maske auch mit einer Feder in der Mitte der Stirn geschmückt. Sein vielleicht wichtigstes Accessoire ist jedoch der Gürtel und sein Holzschwert.
2) Brighella
Der geschickte Brighella gehört mit Arlecchino zu den Dienerfiguren und ist der erste der Zanni. Diese Figur, die auf viele verschiedene Namen hört, ist Arlecchino intellektuell überlegen und stammt ursprünglich aus Bergamo.
Eigenschaften: Brighella ist gerissen, skrupellos, hinterhältig und immer auf den eigenen Vorteil bedacht. Auch zu akrobatischen Kunststücken ist er in der Lage.
Kostüm: Das Kostüm von Brighella ist dezent und nicht so auffällig wie das von Arlecchino. Da sich Brighella vom Bauern zur Dienerfigur in Livreé wandelte, trägt er nun eine Uniform ähnliche Bekleidung der Dienerschaft in weiß mit schwarzen Nähten. Zusätzlich trägt Brighella noch eine meist schwarze Maske oder die Maske eines gewöhnlichen Dieners. Oft ist Brighella auch mit einer Gitarre oder einem Geldbeutel am Gürtel oder einem Messer oder Dolch zu sehen.
3) Pagliaccio
Pagliaccio ist das Pendant zum teuflischen Pulcinella. Eine verwandte Maske von Pagliaccio ist die treue Dienerfigur Pedrolino. Zusammen mit Pedrolino gilt Pagliaccio als einer der Vorläufer des Pierrot, einer französischen Theaterfigur.
Eigenschaften: Pagliaccio, das sich vom italienischen bajaccia (Spötterei) oder bajaccio (Spötter) ableitet, bedeutet auf Italienisch Clown – und das sind auch die ursprünglichen Charakterzüge dieser Figur. Denn Pagliaccio ist tollpatschig, im Nachäffen gut und leicht dümmlich. Pagliaccio ist außerdem mutig mit Worten, aber in Wahrheit ein ziemlicher Feigling, der hin und wieder auch Prügel bezieht. Im Laufe der Zeit hat diese Figur romantische Züge bekommen, zieht jedoch in vielen Situationen noch immer den Kürzeren.
Kostüm: Pagliaccio ist leicht zu erkennen! Er trägt meist eine gelbe Gesichtsmaske und/oder hat sein Gesicht mit Mehl bestäubt. Zudem trägt er ein weißes, leinenartiges und meist viel zu großes Gewand.
4) Colombina
Colombina, die kleine Taube („colomba“ bedeutet auf Italienisch Taube), lässt sich einfach nichts gefallen lässt! Meist nimmt Colombina die Rolle der Magd oder der Köchin ein. Oft wurde Colombina auch von Männern porträtiert, was ihr den Ruf einbrachte, nicht unbedingt die reizvollsten Züge zu haben.
Eigenschaften: Colombina strahlt nur so vor Lebenslust und Selbstbewusstsein! Mit ihrer ungekünstelten und koketten Art zieht sie oft Verehrer an, gegen deren unflätiges Verhalten sie sich jedoch zu wehren weiß. Zu den Verehrern und Geliebten von Colombina gehören unter anderem Brighella oder Arlecchino; letzteren heiratet sie auch oft.
Kostüm: Anders als ihre Vorgänger trägt Colombina keine Maske. Auch ansonsten ist sie meist in schlichte Frauenkleider gehüllt.
5) Coviello
Coviello ist – genau wie Arlecchino – häufig der Partner von Pulcinella. Die Figur des Coviello ist mit der Zeit von der Bühne verschwunden und war ab dem 17. Jahrhundert nicht mehr präsent.
Eigenschaften: Coviello ist ein kleiner Schwindler! Er ist außerdem raffiniert, gewitzt, prahlerisch sowie dumm und schlau zugleich.
Kostüm: Die Figur des Coviello ist leicht zu erkennen, denn er trägt immer Federn auf dem Kopf und hat stets eine Mandoline in der Hand (mit dieser deutet er gerne auch zweideutige Gesten an).
6) Pantalone
Pantalone ist meist ein wohlhabender Kaufmann aus Venedig. Da Pantalone in enganliegende Hosen gekleidet ist, leitet sich das italienische Wort „pantalone“ („i pantaloni“ sind auf Italienisch die Hosen) von dieser Figur ab.
Eigenschaften: Pantalone ist geschäftstüchtig , aber trotz seines vielen Geldes geizig. Er ist bereits in die Jahre gekommen und aufgrund seines hohen Alters oft kränklich. Außerdem mischt sich Pantalone gerne in alles ein und ist immer verliebt. Das führt dazu, dass er häufig Verhältnisse zu jüngeren Frauen hat. Gleichzeitig hegt Pantalone einen großen Hass auf Il Dottore – und dieser auf ihn.
Kostüm: Pantalone ist in eine rote, enganliegende Hose (manchmal auch eine rote Strumpfhose) gekleidet. Dazu trägt er ein rotes Wams, einen schwarzen Umhang, gelbe Pantoffeln und eine braune Maske mit einer Hakennase. Kennzeichnend für ihn sind außerdem ein Schnurbart und ein Ziegenbart. Vor allem ohne den spitzen Bart ist Pantalone nie zu sehen. Auch einen Geldbeutel hat er meist gut sichtbar um die Hüften gebunden.
7) Il Dottore
Il Dottore (Deutsch: der Doktor) gehört wie Pantalone zu den „alten“ Figuren und stammt eigentlich aus Bologna. Da diese Figur meist einen gebildeten Juristen oder Gelehrten darstellt, wurde sie dementsprechend benannt. Il Dottore ist entweder verwitwet oder ein Junggeselle und stellt sich grundsätzlich den Liebesdingen der jungen Generation und den Dienern entgegen.
Eigenschaften: Il Dottore ist nicht allwissend und verfügt selten über wahres Wissen. Aus diesem Grund wirkt er oft belustigend; auch seine Denkerposen sind meist fehl am Platz. Denn bei jeder sich bietenden – und selten passenden – Gelegenheit stellt er sein Fachwissen auf komische Weise zur Schau. Charakteristisch für Il Dottore sind zudem seine Kurzsichtigkeit und seine fließenden Bewegungen.
Kostüm: Il Dottore ist ganz in schwarz gekleidet, trägt eine weiße Halskrause, einen großen Hut und eine schwarze Maske mit Knollennase. Diese Figur hat außerdem eine kugelförmige Stirn, rote Wangen und häufig einen Schnurrbart.
8) Pulcinella
Bei Pulcinella (oder auf neapolitanisch Pulecenella) handelt es sich ursprünglich um eine Figur des süditalienischen und neapolitanischen Volkstheaters. Schon Johann Wolfgang von Goethe spricht voller Bewunderung von ihr. Im Laufe der Zeit hat sich die Maske von Pulcinella mit den Wandertruppen der „Commedia dell’Arte“ von Süditalien bis nach Norden hin verbreitet. Angeblich soll diese Figur aber schon vorrömische Ursprünge haben, mit der Figur des Maccus des Atellanentheaters. Das Wort Pulcinella selbst bedeutet nun so viel wie kleines Küken („pulcino“ ist auf Italienisch das Küken), in das auch noch das Wort „pullo“ (Deutsch: dunkel, schwarz) mit hineinspielt. Gleichzeitig mit Pulcinella entstanden damals weitere verwandte Masken. Ab dem 17. Jahrhundert verschwand die Figur Pulcinella allmählich von der Bühne.
Eigenschaften: Pulcinella gilt meist als listig und schlau, ist aber – ähnlich wie Arlecchino – auch einfältig und verfressen. Bei Pulcinella handelt es sich um einen Diener bäuerlicher Herkunft.
Kostüm: Pulcinella ist in ein weißes Kostüm mit weiten Ärmeln und einen weißen, spitzen Hut gehüllt. Zudem trägt die meist buckelige Gestalt eine schwarze Halbmaske mit einer langen Vogelnase. Ursprünglich soll das Kostüm von Pulcinella bunter und aus grobem Stoff in grün, braun oder rot gewesen sein.
Tipp: Wer gerne noch mehr über den spannenden Charakter von Pulcinella erfahren möchte, der sollte der kampanischen Stadt Acerra, etwa 15 km von Neapel entfernt, einen Besuch abstatten. Denn dort wurde der Figur ein eigenes Museum errichtet, das sogenannte Museo di Pulcinella.
9) Scaramuccia
Scaramuccia, das auf Italienisch „Scharmützel“ bedeutet, ist die komische Figur der „Commedia dell’Arte„. Bedeutend wurde diese Figur in Frankreich als Scaramouche und entwickelte sich mit der Zeit zu einem festen Bestandteil des Theaters. Um 1680 war Scaramuccia dann erstmals in den Stücken der „Commedia dell’Arte“ präsent.
Eigenschaften: Scaramuccia ist ein Großmaul und vertritt den Typus des neapolitanischen Abenteurers und Aufschneiders. Er steckt oft von Arlecchino Prügel ein.
Kostüm: Scaramuccia ist meist ganz in schwarz oder in eine spanische Tracht gekleidet.
10) Il Capitano
Il Capitano erscheint Mitte des 16. Jahrhunderts im Kostüm der spanischen oder französischen Soldaten. Seine Figur ist daher durchaus auch ein Protest der Italiener gegen die unliebsamen Besatzer der damaligen Zeit.
Eigenschaften: Il Capitano ist ein prahlsüchtiger, hochmütiger, gieriger, grausamer und feiger Soldat.
Kostüm: Sein Kostüm ist meist gelb, rot gestreift, dazu trägt er rote Strumpfhosen, gelb-rote Pantoffeln, eine weiße Halskrause, einen Hut mit Feder und natürlich ein Schwert.
3 Kommentare
Susanne Lauer
Danke fuer den tollen Blog- Artikel!
Ich schreibe am 15.7. eine Klausur ueber Goldoni und die Theaterreform, insofern sehr spannend ed utile👍
Sara Alessandra
Ciao Susanne,
wir freuen uns, dass dir der Artikel so gut gefallen hat! Wir hoffen deine Klausur ist ansonsten auch gut gelaufen? Liebe Grüße, Sara & Alessandra
Lauri
Danke für den Beitrag, man findet viel zu wenige deutsche Beiträge zur Comedia dell‘ Arte im Internet und euch hab ich wahrscheinlich einige Punkte beim Abi zu verdanken! xx